Wohnen im Postsozialismus: 1997 bis 2005
Wohnmodelle in postsozialistischen Ländern reflektieren die Befindlichkeit der Übergangsgesellschaft. Ehemals sozialistische Staaten projizierten entsprechend den progressivsten Konzepten moderner Architektur und Stadtplanung die Ideale einer universalen Humanität auf die räumliche Organisation. Soziale und kulturelle Werte wie Gleichheit, Solidarität und Einheit wurden durch homogene Wohnbauten, bestehend aus Standardwohneinheiten, repräsentiert. Diese Wohnmonolithen standen gewöhnlich in Gruppen aus zwei verschiedenen Wohnblocktypen, manche höher, manche niedriger, nahe offener Felder, in Naturnähe an den Peripherien der Städte. Die hehren Ideale der universalen Humanität wurden unglücklicherweise mit unterentwickelten Bautechnologien unter bornierter administrativer Kontrolle realisiert, wodurch die modernen Wohnbaukonzepte auf eine massive Reproduktion einheitlicher Gebäudeelemente reduziert wurden. Vom Staat zum Wohle der Bevölkerung errichtet, wurde die moderne Wohnbauarchitektur von den Bauträgern falsch verstanden, von den Bewohnerinnen und Bewohnern abgelehnt und bald berühmt-berüchtigt.
Der Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus, charakterisiert durch neoliberale Tendenzen hin zu Privatisierung, Marktwachstum und Profitmaximierung, hat die gesellschaftlichen und kulturellen Werte in den postsozialistischen Staaten massiv verändert. Unter Ausnutzung des Vakuums, das zwischen dem gescheiterten zentralistischen System und den korrumpierten Übergangsinstitutionen entstand, wurde das Ideal der Kollektivität durch einen neuen Maßstab der Singularität ersetzt. Letztere reduziert die Komplexität gesellschaftlicher Beziehungen auf einen unablässigen Konkurrenzkampf, der sich im virtuellen Bereich des freien Markts abspielt. Fragen des menschlichen Daseins finden nur dann Beachtung, wenn sie als affektive Reaktionen auf Werbekampagnen in Erscheinung treten, die so viele Kundinnen und Kunden wie möglich anzulocken und zu verführen trachten. Die Orientierung am ultimativen persönlichen Erfolg gilt als ausreichende Begründung für eine Ausbeutung des unmittelbaren Umfeldes und für das Ignorieren von ökologischen Fragen. Sowohl in der Architektur als auch in der Stadtplanung werden die neuen gesellschaftlichen und kulturellen Werte durch eine Ansammlung von beziehungslosen Hochglanzbauten repräsentiert, die sich in den besten Lagen der postsozialistischen Städte breit machen und den Bürgerinnen und Bürgern kaum mehr als das falsche Bild jenes westlichen Luxus zu bieten haben, der über viele Jahrzehnte hinweg heiß erträumt wurde. ...
Ivan Kucina
Volltext siehe Katalog
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| Abb. 1 Sozialer Wohnbau Polje, Ljubljana; Bevk Perovic Arhitekti; Foto: © Matevz Paternoster |
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| Abb. 2 Sozialer Wohnbau Polje, Ljubljana; Bevk Perovic Arhitekti; Foto: © Matevz Paternoster |

